Dieser Artikel beschreibt den aktuellen Formel 1 Antriebsstrang von Mercedes-Benz für die Saison 2014. Dieser Antrieb kommt sowohl beim Werksteam von Mercedes, als auch bei McLaren, Force India und Williams zum Einsatz. Es wird detaiilliert auf die Hybrid-Technik und deren Komponenten eingegangen.
Antriebsstrang
Gemäß den Regeln besteht der Antriebsstrang aus sechs unterschiedlichen Systemen: Verbrennungsmotor (ICE), Motor-Generator-Einheit für kinetische Energie (MGU-K), Motor-Generator-Einheit für Hitzeenergie (MGU-H), Energiespeicher (ES), Turbolader und Steuerelektronik. Die veränderten Bezeichnungen unterstreichen, dass der neue Antriebsstrang viel mehr ist als „nur“ ein Verbrennungsmotor. Beim bisherigen V8-Motor wurde ein KER-Hybridsystem an einen bereits existierenden Motor „angegliedert“. Der neue Mercedes-Benz PU106A Hybrid wurde hingegen von Anfang an mit Hybridsystemen als integrale Bestandteile entworfen.
Technische Daten
Hubraum | 1.600 ccm V6 |
Maximale Drehzahl | 15.000 |
Benzin-Durchflussmenge | maximal 100 kg/h |
Luftzufuhr | Kompressor u. Auspuffturbine, jeweils einstufig |
Minimalgewicht | Antriebsstrang = 145 kg |
Komponenten | MGU-K, MGU-H, Leistungselektronik, Energiespeicher |
Leistung | MGU-K, maximal120 kW, MGU-H, unbegrenz |
Energiezufuhr | maximal 2 MJ pro Runde von MGU-K; unbegrenzt MJ pro Runde von MGU-H |
Energieabgabe | maximal 4 MJ zu MGU-K |
Gewicht | Energiespeicher etwa 20–25 kg (in die Sicherheitszelle integriert) |
Verbrennungsmotor
Die „Internal Combustion Engine“ (ICE), der Verbrennungsmotor, ist das traditionelle, mit Benzin angetriebene Herzstück des Antriebsstrangs. Früher hat man darunter schlicht den Motor verstanden. 2014 nimmt der Motor folgendes Format an: 1,6 Liter Hubraum mit sechs Zylindern und Turbolader, Benzin-Direkteinspritzung und einem maximalen Einspritzdruck von 500 bar. Während der V8-Motor noch bis zu 18.000 U/min erreichen durfte, ist die Drehzahl der ICE ab 2014 auf 15.000 U/min beschränkt. Die Reduzierung der Kurbelwellen-Drehzahl sowie die Reduzierung des Hubraums und der Zylinderanzahl reduzieren die Reibung und erhöhen somit die Gesamteffizienz des Antriebsstrangs. Das „Entschleunigen“ und das „Downsizing“ sind die entscheidenden technologischen Veränderungen am Kern der „Internal Combustion Engine“.
Turbolader
Der Turbolader ist ein System zur Energie-Rückgewinnung. Es macht sich die Energie im Abgasstrom zunutze, um eine einstufige AbgasstromTurbine anzutreiben. Diese ist wiederum durch eine Welle mit einem Kompressor verbunden, wodurch die zur Verbrennung angesogene Luft verdichtet wird. Der so vergrößerte Druck der angesaugten Luft hebt die Reduzierung des Hubraums und der Drehzahl im Vergleich zum bisherigen V8-Motor auf. Auf diese Weise kann der „entschleunigte“ und verkleinerte 1,6-Liter-Turbomotor eine hohe Leistung entfachen. Der Turbolader ist das Schlüsselsystem zur Effizienzsteigerung des Verbrennungsmotors.
ERS
ERS statt KERS: Zur Saison 2014 hat das Hybridsystem zur Energie-Rückgewinnung einen Buchstaben abgelegt. Gleichzeitig ist es technologisch wesentlich weiterentwickelt worden. Damit kann auch weiterhin Energie abgegriffen und durch eine Motor-Generator-Einheit (MGU) der Hinterachse zugeführt werden. Diese Einheit wird nun als MGU-K bezeichnet (K für „kinetisch“). Sie verfügt im Vergleich zu 2013 über die doppelte Leistung (120 kW oder 161 PS statt 60 kW oder 80,5 PS). Diese Einheit kann pro Runde und im Vergleich zu 2013 fünfmal mehr Energie abgreifen (2 MJ) und zehnmal so viel abgeben (4 MJ), also über 30 Sekunden pro Runde bei voller Leistung. Das System MGU-H (H für „Hitze“), ein mit dem Turbolader verbundener Elektromotor, greift die restliche Energie ab. Dem V8-Motor stand zuletzt nur ein möglicher „Energieweg“ zur Verfügung, um mit KERS die Effizienz zu steigern, doch das neue ERS-System bietet bis zu sieben unterschiedliche Möglichkeiten.
MGU-K
Die „Motor Generator Unit-Kinetic“ (MGU-K), die kinetische Motor-Generator-Einheit, verfügt über die doppelte Leistungsfähigkeit als die bisher verwendeten KERS-Motoren, arbeitet aber auf die gleiche Art und Weise. Sie wandelt Teile der kinetischen Energie, die an der Hinterachse beim Bremsen sonst ungenutzt bleiben würde, in elektrische Energie um und führt sie dem Energiespeicher zu. Wenn das Auto wieder beschleunigt, wird die im Energiespeicher gesammelte Energie an die MGU-K-Einheit abgegeben, die dann wiederum mit einer zusätzlichen Leistung von 120 kW (etwa 160 PS) für über 30 Sekunden pro Runde die Hinterachse antreibt.
MGU-H
Die „Motor Generator Unit-Heat“ (MGU-H), die Motor-Generator-Einheit für Hitzeenergie, ist ein völlig neuer Elektromotor, der direkt an den Turbolader gekoppelt ist. Energie aus dem Abgasstrom, die nicht zum Antreiben des Kompressors genutzt wird, kann von der Turbine abgegriffen, von der MGU-H-Einheit gesammelt, in elektrische Energie umgewandelt und dem Energiespeicher zugeführt werden. Während das System MGU-K pro Runde maximal 2 MJ an Energie abgreifen kann, gibt es keine derartige Beschränkung für das System MGU-H. Diese abgegriffene Energie kann dazu verwendet werden, beim Beschleunigen die MGU-K-Einheit anzutreiben. Sie kann auch genutzt werden, um die MGU-H-Einheit anzutreiben, damit der Turbolader beschleunigt wird. Auf diese Weise kann das „Turboloch“ ausgeglichen werden. Diese neue Technologie verbessert die Effizienz des Antriebsstrangs und stellt darüber hinaus ein entscheidendes Hilfsmittel dar, um eine gute Fahrbarkeit des verkleinerten Turbomotors zu gewährleisten.
ES
Der Energiespeicher (ES) wird seiner Bezeichnung vollkommen gerecht: Er speichert die Energie, die von den beiden Motor-Generator-Einheiten (MGUs) abgegriffen wurde, um sie später wieder an die gleichen Systeme abgeben zu können. Das maximale und minimale Gewicht dieses Systems ist vorgegeben: Das Maximum von 25 Kilogramm setzt den Ingenieuren sorgt indes dafür, dass nicht um jeden Preis Maßnahmen zur Gewichtsreduzierung ergriffen werden.
kJ/MJ/kW
Ein Joule (J) ist eine Energieeinheit (kinetisch, Hitze, mechanisch, elektrisch etc.). Ein Kilojoule (kJ) entspricht 1.000 Joule, ein Megajoule (MJ) entspricht 1.000.000 Joule. Kilojoule wird meist verwendet, um den Energiegehalt von Nahrungsmitteln anzugeben. Ein Megajoule stellt hingegen etwa die kinetische Energie eines ein Tonnen schweren Fahrzeugs dar, das sich mit 160 km/h bewegt. Ein Watt (W) ist eine Leistungseinheit. Sie bezeichnet den Energiefluss. Ein Kilowatt (kW) entspricht 1.000 Watt. Diese Einheit wird meist dazu genutzt, das Leistungsvermögen eines Motors anzugeben. Ein Watt entspricht 1,34 PS.
Effizienz ist Trumpf
In der Vergangenheit schienen der Begriff Effizienz und das Ethos der Formel 1 nicht besonders gut miteinander zu harmonieren. Effizienz schien einen konservativen Kontrast zum „Vollgas“-Image des Sports darzustellen. Diese Wahrnehmung wird sich allerdings zur Saison 2014 vollkommen verändern. Um es auf den Punkt zu bringen: Effizienz wird genauso wichtig wie die reine Leistung. Die Leistung eines normalen Saugmotors wurde bisher durch die Luftmenge definiert, die er aufnehmen konnte. Nun definiert sich die Formel 1 durch die Spritmenge, die jedem Fahrer zur Verfügung steht. Der Pilot, dem es gelingt, am meisten Leistung aus den verfügbaren 100 Kilogramm Spritenergie zu gewinnen oder der die beste Umwandlungseffizienz erzielt, wird einen Vorteil auf der Rennstrecke haben. Und je effizienter der Antriebsstrang die chemische Energie in kinetische Energie umwandelt, desto größer wird dieser Vorteil. Effizienz ist natürlich schon seit geraumer Zeit ein Schlüsselbereich in der Formel-1-Entwicklung. In den vergangenen Jahren, als die Spritmenge noch nicht limitiert war, lag der Vorteil darin, Gewicht zu sparen. Die Faustformel lautete: Je weniger Benzin notwendig ist, umso leichter – und schneller – ist das Auto, besonders am Start. 2014 dürfen aber nur maximal 100 Kilogramm Benzin für das Rennen mitgeführt werden. Zum Vergleich: In der vergangenen Saison betrug die Spritmenge im Rennen etwa 150 Kilogramm. Um die Renndistanz mit ähnlicher Geschwindigkeit zu meistern, muss der Antriebsstrang mehr als 30 Prozent effizienter arbeiten. Für diese Herausforderung ist ein beträchtliches Maß an neuer Technologie notwendig. Der V6-Verbrennungsmotor trägt einen Teil zur Effizienzsteigerung bei. Dabei handelt es sich um einen etwas verkleinerten Motor mit geringerem Hubraum, der geringere Geschwindigkeiten ermöglicht als sein Vorgänger. Die Motorleistung – und damit die Effizienz – wird jedoch durch die Turboaufladung verbessert. Auf diese Weise kann mehr Leistung aus der gleichen Menge an Benzinenergie gewonnen werden. Besonders interessant ist aber vor allem das Hybridsystem ERS. 2014 gibt es bis zu sieben mögliche Wege, um die Energie im Auto wiederzuverwenden. Das Ziel lautet, mit dem neuen Antriebsstrang die bisherige Leistung eines Formel-1-Motors von etwa 750 PS zu erreichen. Aber mit rund einem Drittel weniger Benzin.
Fotos
Quelle: Mercedes